
Greenwashing in der Reisebranche: Zwischen grünen Versprechen und rechtlichen Grenzen
Willkommen zurück, liebe Eispioniere!
heute geht’s um ein Thema, das uns alle betrifft – Greenwashing in der Reisebranche. Viele Unternehmen haben lange Zeit mit vagen Umweltversprechen geworben, die oft mehr Schein als Sein waren – doch damit ist jetzt Schluss.
Die EU sorgt für Klarheit bei Umweltversprechen: Wer „nachhaltig“ wirbt, muss es auch zeigen können. Was das für die Reisebranche bedeutet? Wir nehmen euch mit auf eine kleine Tour durchs neue Regelwerk.
Was ist Greenwashing – und warum reden alle darüber?
Greenwashing beschreibt das Phänomen, wenn Unternehmen sich umweltfreundlicher darstellen, als sie es tatsächlich sind. Es geht also nicht um echte Nachhaltigkeit – sondern um den Anschein davon.
Oft reicht schon ein grüner Anstrich in der Werbung, ein loses Versprechen auf der Website oder ein nicht näher erklärtes Label mit einem Blatt-Icon. Das Ergebnis: Verbraucher*innen bekommen den Eindruck, ein Produkt sei ökologisch besonders verantwortungsvoll – ohne dass diese Behauptung überprüfbar oder nachvollziehbar ist.
Greenwashing kann viele Gesichter haben: Ein Hotel, das sich als nachhaltig präsentiert, aber in einer wasserarmen Region einen riesigen Pool betreibt. Eine Airline, die CO₂-neutrale Flüge verspricht, weil sie in Aufforstungsprojekte investiert – obwohl solche Projekte erst nach Jahrzehnten wirksam CO₂ binden.
Oder eine Kreuzfahrtgesellschaft, die stolz ihr Recyclingprojekt hervorhebt, während ihre Schiffe weiterhin mit Schweröl fahren und auf Technologien wie emissionsarme Motoren oder Energie-Managementsysteme verzichten – obwohl gerade diese Maßnahmen eine spürbare Wirkung auf Umwelt- und Klimabilanz hätten.
Der grüne Dschungel der Etiketten
In den letzten Jahren hat sich ein regelrechter Dschungel aus grünen Etiketten über Europa gelegt: Produkte sind plötzlich “klimafreundlich”, Dienstleistungen “nachhaltig”, und sogar Flugreisen “CO2-neutral”. Klingt beeindruckend – wäre da nicht ein kleines Problem: Niemand weiß so genau, was davon eigentlich stimmt.
Im Jahr 2020 zählte man rund 230 aktive Umweltzeichen in Europa – dazu kamen etwa 100 private Ökostrom-Label. Die Verheißung: Wer sich für grün etikettierte Angebote entscheidet, tut Gutes für den Planeten.
Doch eine Untersuchung der Europäischen Kommission im selben Jahr brachte Ernüchterung: 53 % der geprüften Umweltbehauptungen waren vage, irreführend oder schlicht unbegründet. Und 40 % konnten überhaupt nicht nachgewiesen werden.
Der Grund? Es fehlten schlicht klare EU-weite Regeln, was Unternehmen behaupten dürfen – und wie sie das belegen müssen. Genau das ändert sich jetzt. Willkommen in der Ära der Anti-Greenwashing-Regulierung.
Wegweiser durch den Label-Dschungel: Wie die EU Greenwashing jetzt Grenzen setzt
Die EU hat in Sachen Greenwashing aufgeräumt – und bringt mit neuen Regeln mehr Klarheit in den Dschungel der Umweltversprechen.
Im Mittelpunkt steht die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, die uns schon seit 2005 vor irreführender Werbung schützt. Doch die Zeiten ändern sich – und um den neuen Herausforderungen durch digitale und grüne Marketingtricks gerecht zu werden, hat die EU die Richtlinie jetzt mit der neuen „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den Grünen Wandel“ noch einmal aufpoliert.
Diese wurde im März 2024 verabschiedet und wird ab September 2026 in allen EU-Mitgliedstaaten in Kraft treten. Mit dieser neuen Regelung zieht die EU nun klare Grenzen und sorgt dafür, dass es für alle grünen Versprechen endlich mehr Transparenz und Verantwortung gibt:
Unternehmen müssen ihre grünen Versprechen klarer und nachvollziehbarer machen – es reicht also nicht mehr zu sagen „klimaneutral“ oder „umweltfreundlich“, ohne fundierte Beweise zu liefern.
Außerdem gilt: Wer mit einem Nachhaltigkeitslabel werben möchte, muss dafür echte, offizielle Standards oder anerkannte Zertifizierungen vorweisen. Einfach ein Etikett draufkleben war gestern – heute geht’s um echte Taten!
Besonders wichtig: Aussagen wie „klimaneutral“, „CO₂-kompensiert“ oder „klimapositiv“ dürfen künftig nicht mehr einfach auf Produkten oder Dienstleistungen erscheinen, wenn sie allein auf Kompensationsmaßnahmen basieren. Solche Begriffe vermitteln oft den Eindruck, dass ein Produkt selbst oder seine Herstellung keine Umweltwirkung hat – obwohl das nicht stimmt.
Genau deshalb werden solche Aussagen künftig grundsätzlich verboten, es sei denn, sie beruhen auf nachweislich verringerten Emissionen entlang des gesamten Lebenszyklus des Produkts – und nicht auf Ausgleichsmaßnahmen außerhalb der Wertschöpfungskette.
Und es wird noch spannender: Bald tritt die Green Claims Directive in Kraft und sorgt für noch mehr Klarheit! Unternehmen müssen künftig nicht nur genau angeben, ob ihr Umweltversprechen das gesamte Produkt betrifft oder nur einen Teil davon – sie müssen ihre Aussagen auch wissenschaftlich untermauern und den gesamten Lebenszyklus ihres Produkts berücksichtigen. Aber dazu mehr ein anderes Mal!
Das Ziel ist also ganz klar: Nur echte, nachweisbare Nachhaltigkeit soll auch wirklich als solche verkauft werden.
Und was bedeutet das nun für die Reisebranche und für uns, die nachhaltig unterwegs sein wollen?
Schluss mit Superlativen – Ein Nachhaltigkeits-Check in Lappland
Ein Beispiel aus Lappland zeigt uns, wie die neue Regelung wirkt: Das Pyhä-Skigebiet, das sich einst als erstes kohlenstoffneutrales Skigebiet in den nordischen Ländern vermarktete und sich öffentlich das ambitionierte Ziel setzte, „das sauberste Skigebiet der Welt“ zu werden, musste seine Werbeaussagen vollständig überarbeiten.
Die gesamte Marketingkommunikation, von Tickets über Flyer bis hin zu Schildern, Anzeigen und der Website, musste nun angepasst werden, und das große Banner, das stolz das „sauberste Skigebiet der Welt“ verkündete, wurde inzwischen entfernt. Und warum? Ganz einfach: Diese großen Versprechungen konnten nicht mit den notwendigen Belegen untermauert werden, die jetzt verlangt werden.
Heute setzt Pyhä auf transparentere Aussagen: Ihre Ski-Inn-Unterkünfte sind jetzt mit dem Green Key Zertifikat ausgezeichnet – ein Zeichen dafür, dass sie strenge Kriterien der UN-Nachhaltigkeitsziele erfüllen.
Klimaneutral fliegen? Zeig mir den Beweis!
Auch über den Wolken bleibt Greenwashing nicht unentdeckt. Die Luftfahrtbranche erlebt gerade, was es heißt, mit grünen Aussagen verantwortungsvoll umzugehen.
Vielleicht ist es Ihnen auch schon begegnet: Beim Buchen eines Flugs schnell noch das Kästchen „klimaneutral reisen“ angeklickt – ein kleines Extra für den Planeten, ein gutes Gefühl inklusive. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein!
Genau deshalb hat auch die europäische Verbraucherorganisation BEUC die Lupe rausgeholt – und dabei entdeckt, dass hinter vielen dieser grünen Versprechen noch reichlich Nebel liegt. Die Folge: Die EU-Kommission wollte es genauer wissen – und hat bei 20 Fluggesellschaften nachgefragt, wie es eigentlich um ihre grünen Versprechen steht. Mit dabei waren bekannte Namen wie Lufthansa, Air France, KLM, Ryanair und easyJet.
Lufthansa und Co. haben mit ihren „Green Fares“ den Eindruck erweckt, dass eine zusätzliche Zahlung für Klimaschutzprojekte oder nachhaltige Flugkraftstoffe (SAFs) den CO2-Ausstoß eines Flugs vollständig ausgleichen könnte.
Aber hier ist der Haken: SAFs sind zwar weniger schädlich als herkömmliches Kerosin, aber sie machen derzeit nur einen winzigen Bruchteil des gesamten globalen Flugkraftstoffverbrauchs aus – etwa 0,3 Prozent. Und selbst wenn diese geringe Menge den CO2-Ausstoß um 80 % reduziert, reicht das längst nicht aus, um den gesamten Klimafußabdruck eines Flugs auszugleichen. Noch dazu sind nachhaltige Flugkraftstoffe aktuell weit entfernt von einer marktreifen Produktion – eine Verfügbarkeit in größeren Mengen ist also nicht sehr bald zu erwarten.
Die Diskrepanz zwischen den großen Versprechungen der Airlines und dem, was tatsächlich erreicht wird, ist nicht nur enttäuschend – sie hinterlässt auch viele Passagiere mit einer falschen Vorstellung davon, wie klimafreundlich ihr Flug wirklich ist.
Auch die Deutsche Umwelthilfe ließ diese Praxis nicht unbeachtet und reichte Klage gegen Lufthansa ein, die mit der Aussage “CO₂-Emissionen durch Unterstützung von Klimaschutzprojekten ausgleichen” werben. Das Landgericht Köln gab der Klage Recht und stellte klar:
Das beworbene Versprechen der Klimaneutralität erweckt beim Publikum falsche Erwartungen. Ein wichtiges Signal – nicht nur für Lufthansa, sondern für die gesamte Branche: Nachhaltigkeit muss Hand und Fuß haben.
Abschließend lässt sich sagen: Die Reisebranche bewegt sich. Weg von vagen Versprechen, hin zu mehr Verantwortung, Transparenz – und echten Fortschritten. Und das Schöne daran? Wir können weiter die Welt entdecken, diesmal mit einem klareren Kompass in der Hand.
Bis zum nächsten Mal – wenn wir gemeinsam das nächste Nachhaltigkeitsthema erkunden.
Mit besten Grüßen,
Patricia
Head of Sustainability & Nature Positive Strategy
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Stephanie Gräf
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